Surfen im Flow Kanal … oder Stärken stärken stärkt

von | 1. Dez. 2024 | Happy Mind

Vom Flow und den Stärken

Ich kann mich noch erinnern, als ich Ende der 2000er das erste Mal vom „Flow“  Erlebnis gelesen habe. Mehr Produktivität mit mehr Leichtigkeit und Energie? Das Ganze nicht nur im Privatleben, sondern auch im Job? 

Aussergewöhnliche Erfahrungen sammeln und dabei im Tun aufgehen. So ähnlich beschrieb es Mihaly Csikszentmihalyi in seinen Artikeln und Büchern.  

Poesie oder Realität?

Das klang damals gerade zu poetisch. Zwar kannte ich das Gefühl von einer Sache völlig absorbiert zu werden (meist geht es mir beim Erforschen neuer Themengebiete, in Workshops oder auch guten Gesprächen so), aber in meinem oft stressigen und reiseintensiven Alltag hegte ich den ein oder anderen Zweifel, wie das klappen könnte.

Mittlerweile weiß ich: Doch – Das funktioniert! Und besser noch: Wir können den Zustand bewusst herbeiführen. Bei uns selbst und als Führungsverantwortliche auch bei unseren Mitarbeitenden und im Team. 

Wie? Mit Hilfe des Wissens um die eigenen Charakterstärken.

Die Ursprünge der Stärkenforschung

Die Stärkenforschung ist ein relativ junges, aber rasch wachsendes Feld der Psychologie, das durch die Arbeit von Martin Seligman und Christopher Peterson maßgeblich geprägt wurde. 

Seligman, einer der Gründungseltern der positiven Psychologie (wie übrigens auch Csikszentmihalyi) erkannte, dass psychische Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit bedeutet, sondern auch das Gedeihen und Aufblühen eines Menschen betrifft. 

Was es braucht…

In ihrer Arbeit untersuchten die Forscher, was Menschen in schwierigen und in glücklichen Situationen stark und widerstandsfähig macht. Ihr Ziel war es, einen Ansatz zu schaffen, der sich nicht auf die Schwächen von Menschen konzentriert, sondern auf ihre Stärken. 

Seligman soll gesagt haben: „Ich glaube nicht, dass wir zu viel Fokus darauf legen sollten Schwächen zu korrigieren. Ich glaube eher, dass wir am erfolgreichsten sind und die höchste Zufriedenheit im Leben erlangen können, wenn wir auf unseren Signaturstärken aufbauen.“ (Freie Übersetzung der Autorin)

In diesem Zusammenhang entwickelten Seligman und Peterson gemeinsam mit Kollegen das „VIA Classification of Strengths“ (VIA steht für Values in Action), ein Modell, das 24 universelle Charakterstärken in sechs Kategorien von Tugenden, identifiziert.

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Die Wissenschaftler fanden heraus, dass jeder Mensch eine bestimmte Charakterstärken Kombination hat, die ihn oder sie einzigartig macht, wie einen Fingerabdruck, wobei bestimmte Stärken besonders ausgeprägt. 

Die sogenannten Signaturstärken machen unseren Kern aus und ihre Nutzung fühlt sich natürlich und energetisierend an. Es gibt unterschiedliche Stimmen hinsichtlich der Anzahl der Signaturstärken – mal ist von dreien die Rede, manchmal von acht. Ich glaube die Anzahl ist so individuell wie die jeweilige Ausprägung und Ausdruck durch die Art der Nutzung an sich.

Die, ich nennen es einmal restlichen Stärken kommen gern situativ zum Einsatz. Manche mal mehr, andere dafür weniger intensiv.

Die erwähnten Tugenden sind universell im Menschen verankert, also über Länder- oder Religionsgrenzen, über Kulturen und Glaubenssytemen hinweg. 

Von den 6 Tugenden und den 24 Eigenschaften

Dabei handelt es sich um die sechs Kategorien mit jeweils zugeordneten Eigenschaften: 

  1. Weisheit und Wissen: Kreativität, Neugier, Liebe zum Lernen, Urteilsvermögen und Weisheit
  2. Mutes: Tapferkeit, Ausdauer, Authentizität und Enthusiasmus
  3. Menschlichkeit: Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit und der Sozialen Intelligenz
  4. Gerechtigkeit: Stärken Teamwork, Fairness und Führungsvermögen
  5. Mäßigung: Vergebungsbereitschaft, Bescheidenheit, Vorsicht und Selbstregulation
  6. Transzendenz: Sinn für Schönes, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor und Spiritualität

Charakterstärken sind also positive Eigenschaften, die in uns allen stecken und uns helfen, besser mit Herausforderungen umzugehen, erfolgreicher zu sein und ein erfülltes Leben zu führen.

Wie eine Klaviatur können wir die 24 Eigenschaften in den verschiedensten Situationen bespielen. Dein persönliches Stärkenprofil nach der Einteilung des VIA Institute of Character, kannst du über diesen Fragebogen ermitteln.

Wie Du von diesem Wissen profitieren kannst, kannst Du zum Beispiel über ein Coaching oder in einem Stärkenworkshop mit mir für Dein Team herausfinden.

Wissen ist Macht …. aber nur, wenn Du es umsetzt

In meinen Workshops habe ich schon häufiger festgestellt, dass wir uns unserer Stärken nicht immer bewusst sind. Hand auf’s Herz: Kennst Du Deine besten Eigenschaften und kannst adhoc einige davon aufzählen? 

Nein? Keine Sorge, so ging es mir und laut Studien den meisten Menschen ebenfalls. 

Warum es sich allerdings lohnt, sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen…

Stärken stärken stärkt  

„Forscher fanden heraus, dass Beschäftigte, die sich in hohem Maße über ihre Stärken bewusst waren, mit neunmal höherer Wahrscheinlichkeit aufblühten als solche, die sich ihrer Stärken nicht bewusst waren…..blühten diejenigen, die von einem hohen Gebrauch ihrer Stärken berichteten, mit einer 18-mal größeren Wahrscheinlichkeit auf, als diejenigen, die einen sehr geringen Gebrauch ihrer Stärken angaben.“

Wenn das nicht schon einmal Grund genug wäre, es gibt…

… weitere Vorteile: 

  • Werde glücklicher  
  • Erfahre weniger Stress
  • Empfinde mehr Vitalität 
  • Empfinde mehr Lebenszufriedenheit 
  • Erfahre schnelleres Wachstum und Entwicklung
  • Hab als Leader größere Erfolge und bessere Ergebnisse, in dem Du Dich auf die Stärken Deiner Mitarbeiter konzentrierst 
  • Erhöhe Deine Selbstwirksamkeit, Deine Selbstachtung und Dein Selbstvertrauen

Menschen, die ihre Charakterstärken kennen und nutzen sind in Summe also zufriedener, selbstbewusster und resilienter. Sie sind auch im Beruf erfolgreicher und haben stärkere soziale Beziehungen.

Für alle Wissensdurstigen und begeisterten Lerner: Unter https://www.viacharacter.org/research/findings werden in regelmäßigen Abständen die neusten wissenschaftlichen Ergebnisse zur Stärkenforschung veröffentlicht. 

Der kleine Unterschied – Stärken, Talente, Fähigkeiten

Nun sprechen wir hier von Stärken. Ist das nicht das Gleiche wie Fähigkeiten und Talente? 

Nein, denn während Fähigkeiten erlernte Dinge sind, können Talente zwar als angeborene Eigenschaften bezeichnet werden, diese müssen aber weiterhin trainiert und geübt werden, um darin richtig gut zu sein. Beides spendet nicht notwendigerweise Energie, sondern kann sie uns nehmen.

Nur weil ich beispielsweise ein natürliches Talent dafür habe recht ordentlich  Tennis zu spielen, werde ich nie zu Meisterleistungen gelangen, wenn ich nicht regelmäßig trainiere. 

Bloß weil ich die erlernte Fähigkeit habe Excel Tabellen zu strukturieren und Events zu organisieren, heisst das nicht automatisch, dass mich diese Aufgaben erfüllen, geschweige denn energetisieren.

Charakterstärken bezeichnen viel mehr das: „Wie bin ich eigentlich als Mensch“, wenn auch das „was kann ich alles“ nicht ausser acht gelassen wird.

Dass Wissen darüber bietet eine schöne Möglichkeit für sich selbst oder auch innerhalb des Teams zu schauen, ob die zu erledigenden Aufgaben eher nach Talenten, Fähigkeiten oder Stärken verteilt sind.

Der Psychologe Alex Linley betrachtet diese Eigenschaften nochmals aus einem anderen Blickwinkel und teilt sie in vier Kategorien ein: Verwirklichte Stärken, ungenutzte Stärken, erlerntes Verhalten und Schwächen.

Verwirklichte Stärken – Unsere Energizer

Diese Stärken nutzen wir meist mit Leichtigkeit auf natürliche Weise, denn sie geben uns Energie und wir generieren durch sie Erfolgsmomente. 

Wir könnten uns folgende erforschende Reflexionsfragen stellen:

  • Welche Aktivitäten geben mir Energie und erfüllen mich mit Freude?
  • Wie kann ich meine genutzten Stärken bewusster einsetzen, um andere oder mein Team zu inspirieren?
  • Wie erkennen und schätzen wir die Stärken jedes Teammitglieds?

Bei all dem Positiven wir uns ebenfalls fragen, wann wir diese Stärke vielleicht auch zu viel nutzen, in welchen Situationen sie reguliert werden darf und in Kombination mit welchen anderen Stärken sie uns gegebenenfalls noch kraftvoller werden lassen kann.

Ungenutzte Stärken – unsere wahren Superkräfte

Unsere wahren Superkräfte nutzen wir weniger, dennoch liegt genau hier ein großes Potential zur Meisterschaft, wenn sie gefördert und bewusst genutzt werden.

Mögliche Reflexionsfragen:

  • Welche Potenziale erkenne ich, die ich bisher selten eingesetzt und noch nicht voll ausgeschöpft habe?
  • Wie kann ich ungenutzte Stärken in meinem Team identifizieren und fördern?
  • Welche ungenutzten Stärken könnten uns als Team helfen, innovativer und erfolgreicher zu werden?

Erlerntes Verhalten – Unsere Energie-Räuber

Dies sind Fähigkeiten oder Verhaltensweisen, die durch Übung erworben wurden. Sie sind nützlich, können jedoch Energie kosten, wenn sie zu oft eingesetzt werden.

Mögliche Reflexionsfragen:

  • Welche Tätigkeiten erledige ich zwar erfolgreich, aber mit geringer Begeisterung?
  • Fördere ich bei meinem Team eine Balance zwischen erlernten Fähigkeiten und intrinsischen Stärken?
  • Welche Aufgaben könnten wir besser auf Teammitglieder verteilen, die dafür natürliche Stärken haben?

Schwächen – Unsere wahren Energievampire 

Schwächen sind Fähigkeiten, mit denen wir tendenziell nur unter enorm hohem Aufwand halbwegs passabel Leistungen erreichen. Dazu ziehen sie auch noch Energie. Der Fokus liegt darauf, ihren Einfluss zu minimieren.

Mögliche Reflexionsfragen:

  • Welche Aufgaben kosten mich unverhältnismäßig viel Energie und bringen wenig Erfolg?
  • Welche Schwächen hindern uns als Team daran, effektiver zu arbeiten?
  • Welche Ressourcen oder Trainings könnten uns helfen, bestimmte Schwächen als Team gemeinsam zu überwinden beziehungsweise wie können wir uns gegenseitig helfen individuelle Schwächen aufzufangen?

Linleys Modell lädt zur bewussten Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen ein und bietet einige Leitlinien, um persönliche und berufliche Entwicklung zu fördern. 

So kannst Du als Privatpersonen, Führungskräft und im Team effektiver, zufriedener und erfolgreicher agieren und die Zielsetzung bei Coachings oder in Team Workshops danach auslegen. 

Den Link zum Strength Profile findest Du hier.

Und sonst…?

Neben den beiden etwas ausführlicher beschriebenen Modellen gibt es noch den CliftonStrengths Test von Gallup, den ich nicht unerwähnt lassen möchte.

Auch wenn ich persönlich ein großer Fan des Charakterstärkentests des VIA Institutes bin, arbeite ich ebenso gerne mit Linley’s Strength Profile.

Es lädt ein, genutzte und ungenutzte Stärken zu harmonisieren beziehungsweise zu maximieren, erlernte Verhaltensweisen sinnvoll einzusetzen und Schwächen strategisch zu minimieren, um so nochmals eine weitere Welle des persönlichen Flow Kanals zu „be-surfen“.

Neugierig geworden, Deine eigenen Stärken zu entdecken, zu erforschen und anzuwenden? 

Dann lies entweder hier etwas über mein neues Kursangebot, das die Themen Charakterstärken und Achtsamkeit auf besondere Weise kombiniert (MBSP – Mindfulness Bases Strengt Practice) oder kontaktiere mich für Dein/ Euer individuelles Angebot … gern auch per eMail an

Literatur

Biswas-Diener, R. (2010). Practicing positive psychology coaching: Assessment, activities and strategies for success. John Wiley & Sons.

Csikszentmihalyi, M. (1990). Flow: The psychology of optimal performance. New York, NY: Harper and Row

Csikszentmihalyi, M., Csikszentmihalyis, I.S. (1995). Die außergewöhnliche Erfahrung im Alltag – Die Psychologie des Flow Erlebnisses, Stuttgart

Csikszentmihalyi, M. (1995). Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben – Eine Psychologiefür das 3. Jahrtausend, Stuttgart

Csikszentmihalyi, M. (2000). Das flow Erlebnis – Jenseits von Angst und Langeweile: Im Tun aufgehen, Stuttgart

Gander, F., Proyer, R. T., Ruch, W., & Wyss, T. (2012). The good character at work: An initial study on the contribution of character strengths in identifying healthy and unhealthy work-related behavior and experience patterns. International archives of occupational and environmental health, 85, 895-904.

Govindji, R., & Linley, P. A. (2007). Strengths use, self-concordance and well-being: Implications for strengths coaching and coaching psychologists. International Coaching Psychology Review, 2(2), 143-153.

Linley, P. A., & Harrington, S. (2006). Playing to your strengths. The psychologist.

Litman-Ovadia, H., & Davidovitch, N. (2010). Effects of congruence and character-strength deployment on work adjustment and well-being. International Journal of Business and Social Science, 1(3).

Niemiec, R.M., (2019), Charakterstärken – Training uns Interventionen für die Praxis, 1. Auflage; Bern, Hofgrefe Verlag, S. 76

Park, N., & Peterson, C. (2008). The cultivation of character strengths. In Teaching for wisdom: Cross-cultural perspectives on fostering wisdom (pp. 59-77). Dordrecht: Springer Netherlands.

Park, N., & Peterson, C. (2009). Character strengths: Research and practice. Journal of college and character, 10(4), 1-10.

Peterson, C., & Seligman, M. E. (2004). Character strengths and virtues: A handbook and classification (Vol. 1). Oxford University Press.

Peterson, C., & Seligman, M. E. (2006). The values in action (VIA) classification of strengths. A life worth living: Contributions to positive psychology, 29-48.

Seligman, M. E. (2002). Authentic happiness: Using the new positive psychology to realize your potential for lasting fulfillment. Simon and Schuster.

Schutte, N. S., & Malouff, J. M. (2019). The impact of signature character strengths interventions: A meta-analysis. Journal of Happiness Studies, 20, 1179-1196.

Wood, A. M., Linley, P. A., Maltby, J., Kashdan, T. B., & Hurling, R. (2011). Using personal and psychological strengths leads to increases in well-being over time: A longitudinal study and the development of the strengths use questionnaire. Personality and Individual differences, 50(1), 15-19.

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