Über Rishis und die Charaka – Grundlagen des Ayurveda
Wer hat’s „erfunden“?
Ayurveda ist ein jahrtausendealtes indisches Heilsystem, welches von den Denkern und Philosophen Indiens geformt und von Generation zu Generation an ihre Schüler und Anhänger überliefert wurde.
Eine exakte Kenntnis des Ursprungs und der Zeitachse der Entstehung des Ayurveda gibt es nicht. Die Charaka Samhita, einer der drei wesentlichen schriftlichen Überlieferungen, formuliert Folgendes (Sutrasthana, 1.3 ff.):
„Vor langer Zeit versammelten sich viele Weise im Himalaya, um darüber zu diskutieren, wie den Bewohnern der Erde Schutz vor Krankheiten und Gebrechen ermöglicht werden könne.
Sie meditierten gemeinsam und entschieden dann, dass Bharadvja, der Sohn des Brihaspati zu Indra, dem König der Götter gehen solle, um das Wissen vom Leben zu lernen…. Die Wissenschaft des Lebens bestand aus drei Prinzipien: Krankheitsursachen (Hetu), Symptome (Linga), Therapie (Ausadha).
Zurück im Himalaya gab Bharadvja sein Wissen an die Weisen weiter, die es sofort praktizierten und alle ein langes, gesundes Leben führten. Der Weise Punarnava Atreya forderte sechs seiner Schüler auf, dieses Wissen niederzuschreiben.“
Einheit Mensch und die Individualität
Einer der Kernpunkte des Ayurveda ist die Betrachtung des Menschen als Körper-Seele-Geist-Einheit, die untrennbar mit der Natur und ihrer Umgebung verbunden ist. Der Mensch wird als Mikrokosmos, als Miniatur des Universums, dem Makrokosmos, betrachtet.
Ayurveda kommt aus dem Sanskrit und bedeutet soviel wie Wissen (Veda) vom Leben (Ayu). Sein Hauptziel ist es, die Gesundheit des Gesunden zu erhalten und die Krankheiten des Kranken zu heilen.
Ernährung als wesentlicher Bestandteil
Bei der Erhaltung der Gesundheit und Bekämpfung der Krankheit bedient sich der Ayurveda verschiedener Ansätze. Die Ernährung ist sein wesentlichster Bestandteil. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass man gemäß seiner individuellen Konstitution isst, sondern auch darauf, die Zeiten und Umstände der Nahrungszubereitung und -aufnahme sind zu berücksichtigen.
Das Leben wird kontinuierlich von inneren und äußeren Faktoren geformt, so macht es einen Unterschied, ob ich beispielsweise permanentem Stress ausgesetzt bin und eine intrinsische Gegensteuerung habe oder mich komplett von extrinsischen Faktoren triggern lasse.
Der Grundsatz, der dazu führt, dass Ayurveda jedem Menschen auf seinem Pfad eine Hilfestellung und Begleitung sein kann, liegt im Ansatz der Individualität. Es wird nicht versucht, mit einer Blaupause möglichst viele Personen „über einen Kamm zu scheren“.
Individualität auf allen Ebenen
Jeder Mensch wird in seinen Eigenheiten, seiner aktuellen Situation, seiner körperlichen sowie geistigen Konstitution reflektiert. Dass es hierbei zu Überschneidungen bei den Menschen kommt steht außer Frage.
Was aber dem einen gut tut, kann bei dem anderen Schaden anrichten.
The big 3
Die klassische Literatur des Ayurveda umfasst drei wichtigen Schriften, auch als große Dreiheit (Brhat Trayi) bezeichnet. Diese sind noch heute die Grundpfeiler seiner Überlieferungen:
- Charaka Samhita – befasst sich mit der Inneren Medizin
- Susruta Samhita – ist das Handbuch der Chirurgie
- Vagbhata Ahtanga Hridaya – fasst das Wissen der Charaka und Susruta zusammen und beschreibt im Weiteren die acht Fachgebiete des Ayurveda
Das überlieferte Wissen soll kein dogmatisches System darstellen. Vielmehr wird bereits in der Charaka darauf hingewiesen, dass die Offenheit gegenüber anderen Medizinsystemen wichtig und notwendig ist.
So könnte man sagen, dass aus sämtlichen Medizinsystemen jeweils das Beste für die eigenen Begebenheiten zur Anwendung kommen sollte.
The small 3
Im weiteren Verlauf der Zeit, zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert, sind drei weitere Werke entstanden, die sich mit der Einteilung von Krankheitsbildern (Madhava Nidana), dem Handbuch für Ärzte (Sharangadhara Samhita) und der ausführlichen Beschreibung von Therapien und Heilmitteln (Bhavaprakasha) befassen.
Doshas und Dhatus – oder, ich verstehe nur Bahnhof
Der Ayurveda betrachtet in der Anatomie und der Physiologie die Systeme der Doshas (Konstitutionen), der Dhatus (Gewebe des Körpers), Upadhatus (Nebengewebe des Körpers) und der Malas (Abfallstoffe des Körpers).
Im Bereich der geistigen Energien findet man Begriffe wie Sattva (das Prinzip der Reinheit), Rajas (das Prinzip der Aktivität) und Tamas (das Prinzip der Unwissenheit oder Unbeweglichkeit).
Die Seele ist gemäß dem Ayurveda frei von pathogenen Zuständen.
Ein Fall für alle Fälle
Ayurveda dient insbesondere der Prävention und findet seine Anwendung in allen Lebensbereichen, wie der
- Ernährung
- Tagesgestaltung inklusive Empfehlungen für gesunden Schlaf und Verhalten während der unterschiedlichen Jahreszeiten
- Regulierung der körperlichen Bedürfnisse
- Bewegung und Entspannung
- Tugenden inklusive Handlungsempfehlungen für den friedlichen Umgang mit sich selbst und anderen Menschen
- Spiritualität
Während der Ayurveda schon seit vielen hundert Jahren in seinem Heimatland Indien praktiziert wird, so hat er in Deutschland erst in den letzten 20 bis 30 Jahren Einzug gehalten und wurde insbesondere im Wellness-Bereich populär.
Mittlerweile wurde er in vielen Ländern der Erde auch aus medizinischer Perspektive kultiviert und wird von der WHO als traditionelles Medizinsystem anerkannt.